Projekt Güterwaggon

Zur Erinnerung an die Kriegsverbrechen in Lüneburg im April 1945

Im Jahre 2000 haben wir unser Projekt „Kriegsverbrechen in Lüneburg“ in Form einer Broschüre veröffentlicht. In dieser Broschüre wird der Massenmord an KZ-Häftlingen durch SS und Wehrmacht am Lüneburger Bahnhof geschildert. Der Güterwaggon soll daran erinnern. Ein Gedenkstein am Tiergarten erinnert an das grauenhafte Verbrechen. Dieser abseits gelegene Gedenkstein wird allerdings nur selten beachtet. Es wurde uns klar, wir müssen eine Möglichkeit finden, dass die Menschen auf das Verbrechen, das am Güterbahnhof geschah, intensiver aufmerksam gemacht werden. Wir entschlossen uns zu einem weiteren Projekt mit dem Arbeitstitel: „Güterwaggon“.

Ein Güterwaggon steht als Mahnung im Wandrahmpark neben dem neuen Museum. Job sozial hat einen von der GW gekauften Waggon restauriert. Er wurde am 22.März 2015 aufgestellt.

Wer sich über das Verbrechen am Güterbahnhof informieren möchte, dem empfehlen wir unsere Broschüre „Kriegsverbrechen in Lüneburg – Das Massengrab im Tiergarten“. Hier können die Ereignisse vom 7. – 12. April 1945, nur wenige Tage vor dem Einmarsch der Briten in Lüneburg am 18. April, und die Schicksale mehrerer der betroffenen KZ-Häftlinge nachgelesen werden.

Weitere Informationen zum Projekt „Güterwaggon“ erhalten Sie unter: info@geschichtswerkstatt-lueneburg.de

Die Geschichte des Güterwaggons im Wandrahmpark

Das Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg hatte über 85 kleinere Außenlager im norddeutschen Raum. Dazu gehörte auch das Lager „Alter Banter Weg“ in Wilhelmshaven. Die Häftlinge dort wurden in der Marinewerft zu Rüstungsarbeiten und zum Bombenräumen in der Stadt gezwungen.

Beim Vorrücken der alliierten Truppen befahl der Reichsführer-SS Heinrich Himmler: „Kein Häftling darf lebend in die Hände des Feindes fallen.“ Alle Spuren der NS-Verbrechen sollten verwischt werden. Die KZs wurden aufgelöst, auch das Außenlager in Wilhelmhaven und die Häftlinge in frontferne Lager verbracht.

Am Morgen des 3. April 1945 wurden 390 kranke und geschwächte Männer mit LKWs zum Marinebahnhof Mariensiel bei Wilhelmshaven gebracht. Darunter viele Franzosen und Belgier, auch Ungarn, Italiener, Jugoslawen, Polen und Russen. Die meisten hatten in ihren Heimatländern dem Widerstand gegen die deutsche Besatzung angehört. Auf dem Bahnhof wurden je 110 der Häftlinge in 3 Viehwaggons gezwängt, in eine Hälfte des 4. Waggons noch einmal 60.  Die Wachmannschaft – 17 Marinesoldaten - belegte samt ihrem Proviant die 2. Hälfte des 4. Waggons. Sie stand unter dem Befehl von Obermaat Engelmann. Die Türen wurden verschlossen und das Ziel des Transports war das KZ Neuengamme.

Am Morgen des 7. April kam der Zug auf dem Güterbahnhof Lüneburg zum Stehen, inzwischen waren es schon 72 Tote. Auch hier durfte keiner der Männer die Waggons verlassen. Die Häftlinge hatten in den vergangenen 4 Tagen und Nächten Unsägliches durchleben müssen: Stehend auf das Engste zusammengezwängt, das halbe Brot längst verzehrt, danach nichts mehr. Tagelang Hunger und Durst und keine sanitäre Einrichtung. Es herrschte ein erbärmlicher Gestank, da die Belüftung  nur aus schmalen Schlitzen bestand. Die Enge und die Atemnot führten auch zu Gewalt unter den Häftlingen.

Gegen 15 Uhr bombardierten US-Amerikaner den Bahnhof. Neben dem Häftlingszug stand ein mit Treibstoff gefüllter Kesselwagen, der getroffen wurde. Die Explosion setzte die Häftlingswaggons in Brand, dabei wurden schon 70 Häftlinge getötet. Andere Häftlinge, die aus den zerstörten Waggons zu fliehen versuchten, wurden teils von der Wachmannschaft erschossen, so dass nur wenige entkommen konnten.

Auf dem Bahnhof bot sich nach dem Angriff ein Bild des Grauens. Überall lagen Leichen und Leichenteile herum und Schwerverletzte krochen auf den Bahngleisen. Sanitäter, die Hilfe leisten wollten, wurden von der Wachmannschaft mit der Waffe bedroht. Sonst gab es keine Hilfe oder Unterstützung von Bahnmitarbeitern oder der Stadtverwaltung.

Die NSDAP hatte die Bevölkerung über die lokale Presse zur Mithilfe bei der Gefangennahme der geflohenen Häftlinge aufgerufen.

Die überlebenden Häftlinge wurden von der Wachmannschaft auf einem Feld beim Güterbahnhof zusammengetrieben, wo sie eine Woche lang unter freiem Himmel ohne ausreichende Nahrung, Wasser und Kleidung lagern mussten. Viele starben an Erschöpfung und Kälte oder wurden beim Versuch des Aufstehens erschossen.

Nur Zweien gelang die Flucht, ohne dass sie von den Nazischergen wieder eingefangen werden konnten. Sie trafen auf französische Zwangsarbeiter, die sie mit Kleidung und Nahrung notdürftig versorgten und ihnen dann weiterhalfen.

Etwa 140 Häftlinge wurden mit LKWs in das KZ Bergen-Belsen verbracht. Von diesen sind nur drei Überlebende namentlich bekannt. Alle ca. 80 auf dem Feld zurückgebliebenen Männer wurden in der Nacht vom 11. auf 12. April von der Wachmannschaft erschossen oder erschlagen und im nahegelegenen Waldgebiet Tiergarten in einem Massengrab verscharrt.

Dieser Güterwaggon im Wandrahmpark ist von der Geschichtswerkstatt Lüneburg e.V. als Symbol und als Mahnung in Bahnhofsnähe aufgestellt worden. Er soll an die furchtbaren Erniedrigungen, Leiden und Qualen der KZ-Häftlinge erinnern, die hier noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden. Eine Informationstafel am Waggon erläutert die Bedeutung dieses Mahnmals.

An der Stelle des Massengrabes im Tiergarten ist inzwischen eine würdevolle Gedenkstätte für die hier bestatteten Opfer des NS-Verbrechens geschaffen worden, der „Ehrenfriedhof – Opfer der KZ-Häftlingstransporte 1945 im Tiergarten“

Informationstafeln am Friedhof machen aus dem Ort einen Gedenk- und Lernort in Lüneburg